Alte Baumwollspinnerei Teesdorf
Ehemals Gewerbestandort, heute Wohnoase

 

Die Gründung der Bauwollspinnerei in Teesdorf erfolgte 1802 und geht auf Johann Baptist Freiherr von Puthon und dessen Sohn, Karl Freiherr von Puthon, zurück. Letzterer betrieb in der Spinnerei 18.682 Spindeln, womit der Betrieb europaweit zu den größten seiner Art zählte.
Nach dem Erwerb der Baumwollspinnerei durch Josef Broch, Heinrich Schnabl, Hugo Schwarz und Alois Thorsch wurde von 1906 bis 1910 ein neues Fabriksgebäude nach den Plänen des Industriearchitekten Bruno Bauer errichtet. Ausgeführt wurde ein markanter industrieller Zweckbau, der durch Aufteilung der Baumassen, Fassadengliederung und stark reduzierter klassischer Formsprache Akzente setzte. Der Wasserturm überragte das Flachdach und verfügte über einen begehbaren Balkon. Ein besonderes Merkmal stellten die ovalen Fenster im obersten Abschnitt dar. Das Objekt stellt zweifellos, über seinen emotionalen Gehalt hinausgehend, einen hohen identitätsstiftenden Wert dar und hat sich, so gesehen, den Charakter eines „Wahrzeichens“ von Teesdorf erworben.
Anfang der 1990er-Jahre wechselte das Industriegebäude nach einer bewegten Vergangenheit in den Besitz der Linz Textil AG, die die Spinnerei anno 1993 schloss.
Danach galt es, dieses industriell und historisch bedeutsame Gebäude zu erhalten. Dieser Aufgabe hat sich die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Arthur Krupp Ges.m.b.H. gestellt und das denkmalgeschützte Objekt fachkundig und behutsam revitalisiert.
Nach einer gut zweijährigen, aufwändigen und intensiven Bauphase wurden die Wohnungen in dem Gebäude am
25. Jänner 2016 an die neuen Mieterinnen und Mieter übergeben.

Herausforderndes Projekt

Die wesentliche Herausforderung bei der Realisierung dieses schwierigen Projekts bestand da-rin, auf Basis der Grundsätze, die die NÖ Wohnbauförderung definiert, die Möglichkeiten der Revitalisierung der alten Baumwollspinnerei Teesdorf zu untersuchen und Ansätze zu erarbeiten, wie dieses Sanierungsvorhaben – auch unter Maßgabe ökonomischer Gesichtspunkte – umzusetzen ist.
Eine der wesentlichen Zielsetzungen des Bauherrn war daher, der Vorgabe der Leistbarkeit der neu zu schaffenden Wohnräume nachzukommen und durch gestaltete Frei- und Kommunikationsbereiche die erforderliche Attraktivität zu sichern, sodass eine gesicherte Akzeptanz dieses Angebots durch die Mieter gewährleistet ist.
Dieser Grundgedanke bestimmte bereits die Planungsphase und es entstand die Idee, dass beispielsweise durch die Integration eines Schwimmbads am Dach des Gebäudes – samt großzügigen Frei-, Liege- und Aufenthaltsflächen –  den Erfordernissen umfassend Rechnung getragen wird. Ein derartiges Konzept gelangte davor in Österreich noch nicht zur Umsetzung. Insorfern kann man mit Fug und Recht von einer Pionierleistung sprechen – ganz im Sinne der historischen Ursprünge des Projekts. 
Aufgrund der extremen Gebäudetiefe war es auch notwendig im Zentrum des Gebäudes einen Lichthof zur Belichtung der innenliegenden Wohnungen zu schaffen. In Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt wurde eine Lösung gefunden, bei der die Bereitstellung von Freiflächen für die zukünftigen Nutzer im Vordergrund stand. So wurden in diesem Bereich Terrassen und Balkone mit Größen zwischen 10 und 25 m² errichtet.
Insgesamt entstanden im Sanierungsobjekt 69 Wohneinheiten mit Größen zwischen 50 und  90 m², die sich über drei Geschosse verteilen. Nicht nur eine sensible Nutzbarmachung des Gebäudes unter Beachtung einer hohen privaten Wohnqualität der entstehenden Wohnungen war hier gefragt, sondern auch eine zeitgemäße technische Ausstattung der zukünftigen Mietobjekte. Der Aufbau einer zentralen Satellitenanlage, die Installation einer Internet-Richtfunkt-Antenne und die Realisierung sämtlicher Datenleitungen zu den Wohnunten mittels Glasfasertechnologie stellen eine Vielzahl an zukunftsorientierten technischen Möglichkeiten  bereit.

Aufwändige Umsetzung

Die grundlegende Sanierung begann nach Freigabe durch das Bundesdenkmalamt mit einer umfassenden Entkernung des Gebäudes im Bereich der ehemaligen Produktionshallen. Lediglich die Stahlbetonsäulen und Teile des Dachs blieben bestehen. Um die Stabilität des Gebäudes nicht zu gefährden, wurden die Bestandsdecken mit dem Statiker in genau definierten Abschnitten über alle Geschoße abgebrochen und wieder neu hergestellt.
Da aus Gründen des Denkmalschutzes an der Außenseite der Gebäudehülle kein Wärmeschutz aufgebracht werden konnte, die Dämmung der Bestandswände jedoch für die angemessene Wohnqualität zu gering war, war die Anbringung einer durchgehenden Innendämmung notwending. Die Stahlbetonteile an den Gebäudelängsseiten wurden daher mit Schaumglasdämmplatten versehen, an den Stirnseiten des Bauwerks – seinerzeit in Ziegelmassivbauweise errichtet – wurde Dämmputz aufgebracht. Das Gesamtsystem wurde dabei bauphysikalisch genau abgestimmt, sodass bei ordnungsgemäßer Nutzung im Nachhinein durch innere und äußere Feuchtigkeitseinwirkungen keine Schäden herbeigeführt werden können.


Nachhaltiges Energiekonzept

Die Implementierung der 69 Wohneinheiten erfolge in Trockenbauweise. Raumtrennwände wurden aus Gipskarton-Ständerwänden hergestellt, als Wohnungstrennwände kamen schallgedämmte Konstruktionen in der nötigen Dimensionierung zum Einsatz. Um die sommerliche Überwärmung hintanzuhalten und die Raumproportionen an die Zimmergrößen anzupassen, musste die Bestandsraumhöhe von rund 5,0 m auf 2,60 – 2,95 m abgesenkt werden.
Sämtliche Wohnungen werden zentral mittels Fußbodenheizung beheizt. Die im Keller positionierte Heizanlage wird mit Bio-Energie (Pelletsheizung) betrieben. Zur Unterstützung der Warmwasserbereitung wurde am Dach eine zirka 150 m² große Solaranlage errichtet, deren produziertes Warmwasser in einem insgesamt 12.000 Liter fassenden Pufferspeicher bevorratet wird. Überschüssige Energie wird im Sommer zur Temperierung des Pools am Dach genützt.
Die erforderliche Wärmedämmung im Dachbereich wird durch die Verwendung hochwertiger Dämmstoffe auf der Bestandsdecke gewährleistet.
Der Einbau der Poolanlage auf dem Flachdachmachte den Teilabbruch der Bestandsdecke über dem 2. Obergeschoß notwendig, da die Flächenlasten von der Bestandskonstruktion nicht aufgenommen werden konnten. Die Technik für den Edelstahlpool wurde im Geschoß darunter positioniert. Der rund 650 m² große Aufenthaltsbereich um das Schwimmbecken wurde mit einer Pergola und Pflanzentrögen ausgestattet, um einen Wohlfühlbereich für alle Wohnungsnutzer zu schaffen.
„Sehr speziell gestaltete sich der Einbau des Schwimmbeckens aus Edelstahl am Dach“, erinnert sich Baumeister Ing. Harald Havlicek vom ausführenden Bauunternehmen Jägerbau aus St. Pölten. Und Havlicek weiter: „Das Becken und seine Technik ist ein echter Prototyp. Es musste natürlich gewährleistet werden, dass Kondenswasser, das zwischen Becken und tragender Gebäudeschale entstehen kann, hundertprozentig abgeleitet wird, damit keine Feuchtigkeit in die darunter liegenden Wohnungen eindringt.“

Fenster und Türen

Nach intensiven Abstimmungsgesprächen mit dem Bundesdenkmalamt konnten sämtliche Fenster und Türen dem Bestand entsprechend angepasst und neu hergestellt werden. Eine besondere Herausforderunge stellten dabei die Industrieverglasungen dar: Hier der Bestandsarchitektur zu folgen und gleichzeitig die für die Wohnnutzung nötigen Werte zu erzielen, erforderte eine Reihe von Planungsphasen und Teststrecken. Letztlich gelangte man zu der Entscheidung, dass Holz-/Alu-Konstruktionen in diesem Bereich ein Optimum darstellen.
Die Holzkastenfenster an der Stirnseite des Gebäudes wurden rekonstruiert und – um den Anforderungen der Wärmedämmung gerecht zu werden – an den inneren Flügeln mit Isolierglasscheiben versehen.
Eine kontrollierte Wohnraumbe- und -entlüftung zwecks Verbesserung des Wohnklimas wurde ebenfalls installiert.

Die Fassade

Harald Havlicek von Jägerbau: „Jahrzehntelang waren die Innenräume, vor allem jedoch die Gebäudehülle selbst von Tauben ‚bewohnt‘. Entsprechend miserabel war der Zustand der Fassade.“
Sachverständige und Restauratoren untersuchten die Fassade vor Sanierungsbeginn und arbeiteten einen Katalog an Instandsetzungsmaßnahmen aus. So wurden die Risse in der bestehenden Stahlbetonfassade verpresst und abgebrochene oder fehlende Betonteile fachgerecht rekonstruiert. Die verputzten Flächen wurden vermessen, in Teilbereichen mussten bestehende Farbschichten sorgfältig abgebeizt, schadhafte Teile abgeschlagen und fehlende Flächen wiederhergestellt werden.  Sowohl das zu verwendende Material als auch die Farbgebung des gesamten Gebäudes wurden mit dem Bundesdenkmalamt abgestimmt.


Die Außenanlagen

Die Anzahl der neu errichteten Wohneinheiten machte es notwendig, entsprechende Parkmöglichkeiten für PKW zu schaffen. Deshalb wurden am Grundstück 138 KFZ-Abstellplätze errichtet, des weiteren zwei Fahrradabstellräume im Freien, ein Kinderspielplatz sowie ein Müllsammelzentrum.
„Sanieren heißt behutsam erneuern“ – ein Motto des Bauherrn, dem das nunmehrige, denkmalgeschützte Niedrigenergiegebäude vollauf gerecht wird.      

Fotos:

Arthur Krupp Ges.m.b.H. / Wien-Süd

Jägerbau

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