Ratschkygasse 26, Wien XII.
Volksbad wird preisgekrönte Wohnhausanlage
Das ehemalige Ratschkybad wurde in den 1920er-Jahren nach Plänen des damaligen Oberstadtbaurats Josef Bittner unter wesentlicher Beteiligung von Hubert Gessner und Adolf Stöckl durch
Stadtbaumeister Peter Brich erbaut. Unter der Leitung von Josef Bittner (1879 – 1945) entstanden in Wien zahlreiche Wohnbauten, die das Stadtbild heute noch prägen, unter anderem der Rabenhof im
3. Bezirk und der Sandleitenhof in Wien-Ottakring. Darüber hinaus baute Bittner auch Wiener „Ikonen“, wie das Amalienbad in Favoriten oder 1907 etwa die Wiener Stadtgartendirektion am Heumarkt.
Dabei übernahm Bittner immer wieder auch die Verantwortung für die architektonischen Belange.
Das Tröpferlbad in der Ratschkygasse mit seiner markanten, rund 18 m hohen Giebelfassade zeigt späte Formen des Heimatstils und ist mit kleinen Reliefs verziert. Das Vestibül wurde mit rotem
Marmor ausgekleidet und verfügt über einen Wandbrunnen mit dem Steinrelief „Badender“. Die öffentliche Badeanstalt musste im Lauf der Jahrzehnte immer wieder saniert und modernisiert werden,
zuletzt 1998, als die Öl- auf eine Fernwärmeheizung umgestellt wurde.
Unter Denkmalschutz
Per Bescheid des Bundesdenkmalamts (BDA) vom 29. November 1993 wurde das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt. Vor Beginn der Planungsarbeiten war daher schon klar, dass das Vorhaben des
Bauherrn, der Miteigentümergemeinschaft (MEG) Ratschkygasse 26, der das nach seiner Schließung 2006 leerstehende Gebäude von der Wiener Magistratsabteilung 69 (Immobilienmanagement) mit dem Ziel
erworben hatte, neuen Wohnraum zu schaffen, auf mannigfaltige Herausforderungen und knifflige Aufgaben stoßen würde.
So wurde seitens des Denkmalschutzes vor allem großer Wert auf die Erhaltung der bestehenden Kubatur, der Straßenansicht mit der charakteristischen Giebelfassade sowie des Bestandsstiegenhauses
gelegt. Wo Eingriffe in die massive Bausubstanz unerlässlich sein würden, sollten diese, so das BDA, nur in absolut nötigem Ausmaß stattfinden.
Die Bestandssituation, wie sie sich darüber hinaus darstellte, war ebenfalls alles andere als ermutigend, kurzum: Das Tröpferlbad schien sich zu wehren – als wollte es partout nicht zu einem
Wohnhaus umgenutzt werden.
Die vorgefundenen Fakten untermauern diese Vermutung: Parapethöhen von ca. 220 cm sind für Wohnräume ungeeignet, die kleinen Fenster der Straßenfassade für die Belichtung von Aufenthaltsräumen
nicht optimal. Auch waren weder eine barrierefreie Erschließung noch ein Lift vorhanden – und die bestehenden Grundrisse waren mit einer Wohnnutzung nicht wirklich vereinbar.
Ergo lagen die Schwerpunkte des Entwurfs in Lösungsvorschlägen für die Belichtungssituation, die Barrierefreiheit und die Schaffung von infrastrukturellen Räumen, Freiräumen sowie von
Grundrissen, die mit dem baulichen Bestand und den gesetzlichen Vorgaben vereinbar waren.
Vier Punkte zum Erfolg
Die Architekten der planenden proportion.at zt-gmbh gingen systematisch vor und definierten vier Punkte, deren konsequente Umsetzung zum Erfolg führte.
• Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes
• Verbesserung der Lebensqualität
• Ökologische Aspekte
• Besonderheiten
Punkt 1 betraf vor allem die Fassadengestaltung. Alle innen- und außenliegenden Fassaden- und Wandflächen wurden gutachterlich bewertet und entsprechende Sanierungskonzepte für die zu erhaltenden
Fassadenteile ausgearbeitet. Die Straßenfassade wurde samt ihrer typischen Gliederung (Stichwort: „Heimatstil“) und unter Berücksichtigung der ursprünglich verwendeten Materialien und Farben im
originären Zustand wiederhergestellt.
Zur in Punkt 2 angeführten Verbesserung der Lebensqualität zählen sämtliche Aspekte zeitgemäßen Wohnens. Das begann im Fall der Ratschkygasse 26 bei der Eruierung der geeigneten Grundrisse. Diese
hatten Rücksicht auf Faktoren wie Erschließung, Belichtungssi-tuation sowie auf einen Mix an Wohnungs-
typen und -größen zu nehmen.
Punkto Belichtungssituation zeigte man sich so flexibel, dass im Zuge der Projektierung eine Anpassung des Flächenwidmungsplans erfolgte. Diese Anpassung machte es möglich, dass durch eine
Öffnung des Hofbereichs nun mehr Tageslicht ins Gebäudeinnere gelangen kann.
Die Kastenfenster aus Stahlprofilen wurden saniert und durch eine weitere Fensterebene mit Isolierverglasung ergänzt.
Die Erschließung des Gebäudes über den Haupteingang war auf Grund der fehlenden Barrierefreiheit nicht möglich. Es wurde daher ein neuer Haupteingang geschaffen, über den ein barrierefreier
Zugang zu allen Wohn- und Nutzungseinheiten sowie zu den neu geschaffenen Infrastrukturräumen (Fahrrad-, Kinderwagen-, Müllraum etc.) gewährleistet ist. Zu diesem Zweck wurden Zwischenebenen
eingefügt und ein Lift installiert.
In den straßenseitigen Wohneinheiten befinden sich interne Stiegen, die bei Bedarf nachträglich mit Treppenliften ausgestattet werden können.
Zehn der 21 neuen Wohnungen – es stehen Größen von 36 bis 109 m2 zur Auswahl – verfügen über Freiflächen in Form von Loggien, Terrassen, Balkonen oder Gärten. Im Hofbereich steht ein allgemein
zugänglicher Kleinkindspielplatz zur Verfügung.
Zwecks Verbesserung der Energiebilanz konnte der Heizwärmebedarf durch eine thermische Sanierung von
ca. 241 kWh/m2a auf rund 86 kWh/m2a gesenkt werden.
Herausforderungen am Bau und deren Lösungen
Die logistisch prekäre Situation, die durch die Beengtheit der Baustelle hervorgerufen wurde, bedingte – etwa bei Sanierungsmaßnahmen an den Fundamenten im Hofbereich, aber auch bei den
Ausgrabungsarbeiten für die Errichtung des Zuluftschachts der Druckbelüftungsanlage – den Einsatz kompaken Geräts. Fehlender Platz für die Lagerung von Aushub- und Baumaterial machte darüber
hinaus Just-in-time-Arbeit in erheblichem Ausmaß nötig.
Gänzlich unbeeindruckt davon zeigten sich statische Mängel, die sich im Zuge der Bestandserhebung offenbarten und die natürlich dringend behoben werden mussten. So gab es im hinteren
Bereich des Hauses mehrere Grundbrüche, die zu Rissen im Bestand führten. Die Tragfähigkeit des Baugrunds wurde daher mittels DSV-Verfahren wiederhergestellt und für künftige Lasten und
Belastungen ertüchtigt.
Weiters galt es, einige Stahlbetonrippendecken, die im Lauf der Jahrzehnte „schwachbrüstig“ geworden waren, mit Hilfe von Kohlefaserkunststoff-Lamellen (CFK-Lamellen) zu verstärken. Ein
besonderes Augenmerk musste dabei auf den Brandschutz gelegt werden, da dieses Sanierungsverfahren im Brandfall keine Temperaturen über 80°C an den Lamellen zulässt. Der Brandschutz musste daher
mit einem dafür geeigneten System sichergestellt werden.
Im Zuge des Aus- und Umbaus galt der zwischenzeitlichen Sicherung der hohen Giebelwände ebenfalls ein besonderes Augenmerk.
Die bestehende, geradezu kunstvolle Dachkonstruktion aus Holz konnte aus statischen und wirtschaftlichen Gründen leider nicht erhalten werden. Die bestehende Dachraumkubatur wurde daher in Form
einer dreigeschoßigen Stahlkonstruktion nachgebaut.
Als Zwischendecken kamen aus Gewichts-, Schallschutz- und Brandschutzgründen Trapezblechverbunddecken zum Einsatz.
Die beiden seitlichen – von Denkmalschutzenthusiasten bereits in der Planungsphase durchaus kritisch kommentierten – Zubauten in Stahlbeton-Ausführung dienen einerseits der Erweiterung der
Wohnflächen, tragen jedoch ganz wesentlich auch zur Aussteifung des Bestands bei.
Aufgrund des fehlenden zweiten Rettungsweges war es notwendig, das Stiegenhaus als druckbelüfteten Raum auszuführen. Konsequenterweise wurden sämtliche Wohnungseingangstüren mit
Freilauftürschließern ausgestattet. Ein Zuluftschacht mit einem Querschnitt von 1,40 m² musste vom Garten bis unter das Gebäude geführt werden.
Jede Wohneinheit verfügt über einen eigenen Rauchgasanschluss. Da aufgrund der BDA-Vorgaben auf dem Dach kein außenliegender Rauchfangkehrersteg realisiert werden konnte, wird nunmehr der
Spitzboden der Dachkonstruktion als Kollektorgang genutzt.
Um einigen Dachgeschoßwohnungen Freiflächen zu ermöglichen wurden die Dachkonstruktionen der bestehenden Zwerchhäuser der Hoffassade und des Stiegenhauses als Sonnenschutzelemente
ausgeführt.
Stadterneuerungspreis
Sämtliche Komponenten dieser komplexen Planung kamen in mustergültiger Weise zur baulichen Umsetzung. Die Jury des 32. Wiener Stadterneuerungspreises 2017 belohnte diese gemeinschaftliche
Topleistung mit der Zuerkennung des 1. Platzes!
Fotos:
MEG Ratschkygasse 26;
Hazet Bauunternehmung GmbH;
proportion.at zt gmbh
Projektpartner Ratschkygasse 26; 1120 Wien
Bauherr: MEG Ratschkygasse 26, c/o Pan Consult Immobilienanalyse GmbH
Architektur Um- und Zubau: proportion.at zt gmbh
Bauausführung: Hazet Bauunternehmung GmbH