Lobmeyrhof, Wien XVI.

Ottakringer Kulturerbe mit neuem Leben erfüllt

 

Der Lobmeyrhof in Wiens 16. Bezirk, Ottakring, wurde in den Jahren 1900 – 1901 nach Entwürfen von Theodor Bach und Leopold Simony als Vierspänner in geschlossener Blockrandbebauung errichtet und durch die Kaiser Franz Josef I.-Jubiläums-Stiftung für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen finanziert. Die nach dem Glaswarenfabrikanten Ludwig Lobmeyr (1829 – 1927) benannte Wohnhausanlage folgt in ihrer Optik der Architektursprache des Klassizismus.
Bach und Simony wandten hier – wie bei vielen von ihnen geplanten Wohnbauten – das Prinzip einer vertikalen und horizontalen Verschränkung an, wobei markante Gesimsbänder die Horizontale betonen, während die Vertikale durch Erker und Risalite mit ausgeprägten Giebeln und Dächern akzentuiert wird.
Die Straßenfassaden weisen ein horizontal genutetes Sockel-geschoß auf. Die zwischen 26 und 32 Fensterachsen langen Fronten werden durch Fensterformate, Fensterüberdachungen und Log-gien in verschiedensten Spielarten sowie durch unterschiedlich weit vorgelagerte Risalite mit variantenreich gestalteten Giebeln aufgelockert. Die Stiegenhauseingänge befinden sich hofseitig in schmalen Risaliten, die langen Hoffassaden werden zusätzlich von Erkern unterbrochen. Zwei Tordurchfahrten führen in den großzügigen Innenhof.
Die große Blockrandverbauung mit Innenhof und Gemeinschaftseinrichtungen war für den späteren sozialen Wohnbau in Wien ein prägender Maßstab.
Der denkmalgeschützte Altbestand konnte im Rahmen der aktuellen Revitalisierungsmaßnahmen in seiner grundlegenden Struktur erhalten und saniert werden. Dies betrifft in erster Linie die straßenseitige Fassade sowie den an diese angrenzenden Gebäudetrakt bis zur Mittelmauer.

Fassade und Mauerwerk

Das Mauerwerk sämtlicher Teile des zu erhaltenden Bestands wurde fachmännisch trockengelegt. Alle zu sanierenden Bereiche erhielten neue Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, Fernwärme ...), neue Fußböden, neue wärme- und entlang der Wernhardtstraße auch lärmgedämmte Fenster in Holz-/Alu-Bauweise etc.
Der Sanierung der weitläufigen Fassade gingen Untersuchungen voraus, wobei an verschiedenen Stellen des Gebäudes Flächen freigelegt und analysiert wurden. Diese Untersuchungen ergaben, dass der im Zuge einer früheren Sanierung aufgebrachte Feinputz mit dem darunter liegenden Grundputz keine Verbindung eingegangen ist und sich daher großflächig abgelöst hat. Der Grundputz selbst befand sich in relativ gutem Zustand und konnte, wo dies möglich war, original erhalten bleiben.
Nach dem gründlichen Entfernen des alten Feinputzes, dem Ausbessern schadhafter Stellen des Grundputzes mittels Ausgleichsmasse und weiterer nötiger Vorbereitungsarbeiten wurde ein neuer Feinputz aufgebracht. Der Anstrich erfolgte unter Verwendung einer mineralischen Silikat-Außenfarbe.

Optimierte Gebäudestruktur

Alle Teile hinter der Mittelmauer wurden komplett erneuert, wobei die Stiegenhäuser erhalten blieben und mit ihnen die nach innen gerichteten Geschoße bis zur neuen Baufluchtlinie vorgezogen wurden.
Mit den statisch-konstruktiven Belangen wurde das Expertenteam von Statik Schindler & Partner mit Sitz in Korneuburg beauftragt. Demzufolge blieben rund 35 % der alten Substanz erhalten, der weitaus größere Rest wurde neu gebaut. „Die Herausforderung für uns bestand darin“, so DI Martin Schindler, „die unterschiedlichen Bauteile, nämlich die alten und die neuen, zusammenzuschließen, zumal historische Angaben und Pläne oft nicht mehr mit der Realität übereinstimmen.“ Statik Schindler & Partner unterstützte die Architekten des Sanierungsprojekts – für die Generalplanung zeichnen die GSD Gesellschaft für Stadt- und Dorferneuerung Ges.m.b.H. und das Architekturatelier Kiener verantwortlich – vom Entwurf bis zur Einreichplanung.
Vor allem im Bereich der Stiegenhäuser, aber auch im Vorfeld der Errichtung der Tiefgarage galt es, manch heikles statisches Problem zu lösen. Vom Keller weg musste das Fundament mit massiven Stahlbetonplatten verstärkt werden. Bestehende Decken konnten durch verstärkende Maßnahmen vor dem Abriss bewahrt werden. Dadurch konnten Kosten reduziert und Belastungen für das Bestandsgebäude vermieden werden. „Es hat sich bestätigt“, so DI Martin Schindler, „dass der Umbau im Altbestand die Königsdisziplin für uns Statiker ist.“
BM Ing. Mag. Thomas Lubowiecki vom federführenden Partner Voitl & Co der bauausführenden ARGE Sanierung Lobmeyrhof Voitl & Co BaugmbH / Artbau Zagler GmbH dazu: „Im weitläufigen Hof wurde der vorhandenen Struktur ein neuer Baukörper in Form einer Stahlbetonkonstruktion vorgeblendet, die mit dem Bestand kraftschlüssig verbunden ist und so zu einer neuen Einheit verschmilzt. Außerdem befindet sich im Hofbereich nun eine neue Tiefgarage mit 54 PKW-Stellplätzen.“ Über der Tiefgarage laden Grünanlagen und Spielplatz zum entspannten Verweilen ein.
Besonders erfreulich ist der Umstand, dass der Altbaumbestand im Innenhof erhalten bleiben konnte und so das Gefühl eines „gewachsenen Ambientes“ vermittelt.

Zweigeschoßiger Dachausbau

Als „vertikale Erweiterung und Optimierung der bestehenden Struktur“ ist der zweigeschoßig in Massivbauweise ausgeführte Dachausbau zu betrachten. Das zweite Dachgeschoß scheint als durchgehender Baukörper auf dem von der Straßenfront leicht nach hinten gerückten ersten Dachgeschoß regelrecht zu schweben. Zum Innenhof hin befinden sich über dem zweiten Dachgeschoß begrünte Terrassen, die vor allem an heißen Sommertagen für ein
angenehmes Mikro-klima sorgen.
Das Ensemble erfuhr durch hofseitig vorgesetzte, architek-tonisch zeitgemäße Balkone eine beträchtliche Aufwertung. Diese kommt den Bewohnerinnen und Bewohnern des im Volksmund aufgrund ihrer Stiftungsgeschichte auch als „Jubiläumshäuser“ bekannten Anlage in Form zusätzlicher, privater Freiräume zu Gute.

Barrierefreie Erschließung

Durch die neuen Grundrisse der nach innen verlängerten Stiegenhäuser wird eine barrierefreie
Erschließung der Geschoße mit Aufzügen auf Höhe der Hauptpodeste sowie durch Rampenbauwerke bis zur ersten Einstiegsstelle möglich. Jedes Stiegenhaus ist mit einem Lift ausgestattet.
In Anbetracht der Tatsache, dass im „Lobmeyrhof neu“ unter anderem auch eine Seniorinnen-/Senioren-WG sowie Wohneinheiten für alleinerziehende Mütter zur Verfügung stehen, ist die Barrierefreiheit eine sehr sinnvolle Angelegenheit.
Im Lobmeyrhof konnten Wohnungstypen für unterschiedliche Nutzergruppen und Wohnbedürfnisse untergebracht werden, sodass eine soziale Durchmischung gewährleistet ist.
Die Kosten für die Generalsanierung des Lobmeyrhofs beliefen sich auf rund 27,5 Mio. Euro.

Fotos: WISEG;

GSD / © Bernhard Broer Photography;

Voitl & Co. / © www.wulz.cc

Schindler & Partner

Projektpartner Lobmeyrhof, 1160 Wien

 

Bauherr: WISEG Wiener Substanzerhaltungsg.m.b.H. & CoKG

Generalplanung: GSD Gesellschaft für Stadt- und Dorferneuerung Ges.m.b.H. und Atelier Kiener

Ausführung: ARGE Sanierung Lobmeyrhof Voitl & Co und Artbau Zagler (Soluto)

Tragwerksplanung, Statik: Statik Schindler & Partner ZT GmbH, Korneuburg

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