Das Dellacher, Oberwart
Juwel aus den 1960er-Jahren vor Verfall gerettet

 

Das repräsentative Gebäude ist in Hanglage am Waldrand nahe der südburgenländischen Bezirkshauptstadt situiert. Dieses bedeutende Frühwerk des 2010 bei einem Autounfall in Los Angeles tödlich verunglückten Architekten Raimund Abraham stand eineinhalb Jahrzehnte lang leer und war akut vom Verfall bedroht. Mit Johannes Handler fand sich 2015 ein fachlich versierter Eigentümer, der mit viel Liebe zum Detail für die Restaurierung verantwortlich zeichnet.


Das Haus in Oberwart entwarf Raimund Abraham nach langer Grundstückssuche ab Ende 1963 für seinen Jugendfreund, den Fotografen Max Dellacher, und dessen burgenländische Gattin Gisela. Von den USA – Abraham übersiedelte 1964 nach New York – schickte er Skizzen und Zeichnungen. Diese wurden vor Ort von Architekt Rudolf Schober zu detaillierten Bauplänen umgearbeitet und in den Jahren 1965 bis 1969 realisiert. Abraham meinte über den Bauherrn, der sich in Planung und Verwirklichung intensiv einbrachte: „Max Dellacher hat sich sehr mit dem Haus identifiziert und wir haben eng zusammengearbeitet. Ein Bauherr muss die Sensibilität mit dem Architekten teilen, sonst funktioniert es nicht. Man kann es ja einem Bewohner nicht aufzwingen. Er muss das erwarten und zelebrieren – und das hat er auch getan.“ 1970 konnte das Haus bezogen werden.

Der Bauherr

Wie Raimund Abraham wurde auch der Bauherr, Max Dellacher, in Lienz geboren, und zwar anno 1928. Seine Arbeit führte Dellacher unter anderem nach Rom in die Cinecittà, wo er als Standfotograph tätig war. Nach Oberwart verschlug es ihn der Liebe wegen, übernahm er doch gemeinsam mit seiner Frau Gisela, geborene Blasy, das ortsansäßige, gleichnamige Fotoatelier.
Auf Max Dellachers Idee ist die symmetrische Doppeltreppe zurückzuführen, war der italophile Bauherr doch ein Bewunderer des italienischen Renaissance-Architekten Andrea Palladios (1508 – 1580) sowie der Prunkbauten des Veneto und der Medici.
Last but not least gehen die größtenteils original erhaltenen Möbel auf Entwürfe von Max Dellacher zurück. Wohl in Anlehnung an  Adolf Loos finden sich nischenartige Einbauten als Raumoptimierer. Kreisförmige und quadratische Elemente dominieren den Wohnbereich. Diese Formen kulminieren nicht zuletzt in beeindruckenden und skulpturalen Leuchtkörpern. 

Außenbereiche und Mauer

Mit seiner solitären Lage vor einem Waldstreifen bestimmt das Gebäude die hügelige Landschaft südlich der Bezirkshauptstadt Oberwart. Das in seiner Außenerscheinung symmetrisch und in Kuben angelegte, weiß gestrichene Gebäude, das sich talwärts in einem überdeckten Gang und einer dominanten, doppelläufigen Freitreppe zum
Garten mit Swimmingpool öffnet, steht in der Tradition italienischer Villen der Renaissance.
Obwohl Raimund Abraham die Absicht verneint, auf eine traditionell burgenländische Architektursprache Bezug genommen zu haben, kommt vor allem die Lösung mit dem gedeckten Arkadengang im Obergeschoß einer solchen nahe. Über die großzügige, gefasste Terrasse treppt sich das Haus zur Landschaft hin ab und verbindet auf kontinuierliche Weise die Innen- mit den Außenbereichen.
Zur stark frequentierten Bundesstraße hin wird die Anlage von einer Mauer abgeschirmt, die mehrere Funktionen erfüllt. Sie trennt, umschließt, verbindet und definiert Plätze und Bereiche rund um das Haus.
Unterhalb des Pools findet sich ein Essigbaumensemble, das einen Teil des Abraham‘schen Gesamtkonzepts bildet, da es in optischer Verlängerung der Mauer einen fließenden Übergang von Natur zu Architektur darstellt.

Haus und Wohnräume

Das Haustor befindet sich an der Nordseite, wo ein gedeckter Zugang von der Garage in den Flur führt. Bestimmendes Element ist hier – wie auch bei anderen Projekten Abrahams – die von einem Oberlicht erhellte Wendeltreppe, die das Untergeschoß erschließt.
Diese Wendeltreppe mit Lichtkuppel ist quasi das Rückgrat des Hauses. Sie hält die beiden symmetrischen Gebäudeflügel zusammen und ist vertikaler wie horizontaler Dreh- und Angelpunkt.
Die in der Außenerscheinung so wichtige Symmetrie, die dem Gebäude seinen repräsentativen Charakter verleiht, spielt in den Wohnräumen kaum eine Rolle.
Im Essraum, den eine Oberlichte erhellt, wird etwa auf den schönen Ausblick ins Tal zur Gänze verzichtet, ebenso im Kaminzimmer, das mit seiner Formensprache ebenfalls an Adolf Loos erinnert.
Erhalten haben sich in diesen Bereichen neben originalen Fußböden auch Beleuchtungskörper und Einbaumöbel, die im Zuge der Restaurierung minutiös instand gesetzt wurden. Ein markantes Detail, das auf Abrahams amerikanischen Lebensraum verweist, sind die Türgriffe, die – wie in den USA oft gebräuchlich – als Drehknöpfe ausgebildet sind.

Sanierungsgrundlagen

Der Zustand nach dem langen Leerstand war optisch besorgniserregend, substantiell war das
Gebäude jedoch in erstaunlich gutem Zustand. Der Grund dafür liegt in der Bauweise: 43 cm dicken Außenwände aus Voll- und Hochlochziegel von der nahen Ziegelei Rotenturm, dazu Komponenten aus Beton und Holz sorgen für eine hohe Qualität, wie man sie vergleichsweise in so manchem Gründerzeithaus vorfindet.
Fenster und Türen sind aus Lärchenholz, im Wohnbereich sind Lärchendielenböden verlegt, im Außenbereich und Vorraum finden sich Spaltfliesen.
Das Dach mit seiner eigenwilligen Form als Doppelsattel ist ein Holzfachwerk mit Blechdeckung und durchdachtem Entwässerungs- und Versickerungssystem.
Die entstandenen Schäden am Haus hatten ihre Ursachen überwiegend in verschiedenen Maßnahmen der Vorbesitzer. So wurde beispielsweise an der Südfassade im Arkadengang und am Dachüberstand eine Vollwärmeschutzfassade angebracht, die eine Reihe von Problemen bereitete. Isolierungshochzüge funktionierten somit nicht mehr, zuvor fein ausgearbeitete Anschlüsse zu den Fensterbänken ebensowenig.

Die Renovierung

Im ersten Schritt wurde eine umfassende Erneuerung des Dachs allen anderen Arbeiten vorgezogen. Die Blechdeckung erfuhr nach 50 Jahren eine komplette Erneuerung, wobei die ungewöhnlich enge Falzteilung der Blechbahnen beibehalten wurde. Außerdem erhielt der Dachstuhl eine Wärmedämmung aus Zellulose.
An der Fassade wurde der fehlerhafte Putz, rund 40 % der Gesamtfläche, und der Vollwärmeschutz abgetragen und über den Winter offen gelassen. Anschliessend wurde neu verputzt.
Die Körnung des Feinputzes wurde anhand einiger Muster an den bestehenden Putz so angeglichen, dass die Homogenität, die bei diesem Baukörper ein wesentlicher Faktor ist, gewährleistet werden konnte.
Die marginalen Schäden an den Holzfenstern wurden behoben, die Fenster neu gestrichen, lasiert und zur Gänze mit neuer Isolierverglasung versehen.
Die Einbaumöbel waren in einem erstaunlich guten Zustand. Sie wurden teilweise abgebaut, um die Innenmalerei und die Behandlung des Lärchenbodens zu erleichtern. Nach dem Aufpolieren wurden sie wieder aufgebaut. Außer der Küche sind noch alle Originaleinbaumöbel vorhanden.
Die Küche und ein Badezimmer wurden Mitte der 1980er-Jahre erneuert, entsprachen aber weder dem Charakter des Hauses noch erfüllten sie heutige Standards. Hier wurde eine Lösung gefunden, die der Qualität des Hauses entspricht.
Der neue Eigentümer, Architekt Johannes Handler, hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Rahmen des Vereins „Das Dellacher“ das Haus nach seiner Instandsetzung öffentlich zugänglich zu machen.  

 

 

RAIMUND ABRAHAM

 

Raimund Abraham, 1933 in Lienz in Osttirol geboren, begann seine Laufbahn nach seinem Studium an der Technischen Hochschule Graz als Architekt in Wien. Abraham arbeitete u.a. mit der Werkgruppe Graz um Eugen Gross, mit Walter Pichler und in Wien mit Friedrich Gartler zusammen, ehe er 1964 nach New York übersiedelte, wo er sein
eigenes Büro aufbaute und vor allem als universitär Lehrender wirkte.
„All you need is a piece of paper, a pencil and the desire to make architecture“ lautete seine Maxime, mit der er 2010 auch seine letzte Vorlesung in Los Angeles „The Profanation of Solitude“ – nur wenige Stunden vor seinem plötzlichen Tod – beschloss. Neben nicht realisierten Entwürfen und wenigen gebauten Projekten setzte sich Abraham zeichnerisch mit „Imaginärer Architektur“ auseinander. Im Kontrast zu seinen technischen Utopien von Städten als „Altäre mechanischer Eingeweide“ (1962) setzte er sich wenig später in „Elementare Architektur“ anhand anonymer Nutzbauten in den Alpen mit den Ursprüngen der Baukultur auseinander. In diesem Spannungsfeld zwischen streng symmetrisch-maschinenhaften Strukturen und archaischen Formen entwickelte Abraham eine poetische
„Architektur-Kunst“.                            

Fotos:

Johannes Handler, Rainer Schoditsch, BDA

Projektpartner Das Dellacher, Oberwart

 

Bauherr / Architekt: Johannes Handler

Ausführung: Handler Bau GmbH, Bad Schönau

Denkmalschutz: Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat Burgenland

DIE SCHREIBMEISTER OG • A-2491 Neufeld an der Leitha • Lisztgasse 2       www.schreibmeister.info


IHRE ANSPRECHPARTNER:

 

Irene Murczek                        Manfred Murczek                    

i.murczek@speed.at             murczek@speed.at                 

+43 676 956 59 72                   +43 676 610 62 97