Berggasse 5 / Wasagasse 17, Wien IX
DG-Ausbau, Ballhaus & Co. und eine kryptische Bar
Das vom Stadtbaumeister Josef Klee im Jahr 1825 errichtete Bürgerhaus im Stile des Biedermeier sollte umfassend und im Sinne des Denkmalschutzes revitalisiert und erweitert werden. Zu den besonderen Merkmalen der Bebauungsstruktur zählen das 1835 aufgesetzte dritte Obergeschoß sowie der 1890 errichtete Veranstaltungssaal im Stil des Neobarock (Gasthaus „Zum Schweizer“, später: „Zum silbernen Brunnen“).
Die aktuelle Bauaufgabe gliederte sich in mehrere Teilbereiche und wurde vom Büro Kohlmayer, Lutter Knapp, KLK Büro für Architektur, Architekt DI Heinz Lutter ZT GmbH als Objekt- und
Generalplaner mit der cetus Baudevelopment GmbH gesamtheitlich betreut. Die Sanierung des denkmalgeschützten Bestands erfolgte in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt.
Im Rahmen der gesamtplanerischen Entwicklung der Liegenschaft kam es unter anderem zu einem Ausbau des Dachgeschoßes, in dem sich nun sechs neue Wohnungen befinden. Ein Technik- und zwei
Aufzugsschächte führen von ganz unten nach ganz oben.
Die innenhofseitig situierten Aufzugseinhausungen sowie zwei ebenfalls hofseitig platzierte, große Gauben wurden mit einer goldfarbenen Alucobondhülle versehen, was dem gesamten Ensemble eine
optisch-ästhetische
Exklusivität verleiht.
Neben einer qualitativ hochwertigen und gediegenen Materialität in Bezug auf Böden, Bad- und Küchenausstattung etc. stand vor allem die detailgetreue Revitalisierung und Ertüchtigung der
geschützten Dachstuhlkonstruktion im Mittelpunkt. Diese wurde durch eine komplette Überbauung sichtbar gemacht, was für eine herausragende Markanz sorgt. Der in die DG-Wohnungen integrierte
Dachstuhl wird so quasi zum außergewöhnlichen Designobjekt.
Die Überbauung des Dachstuhls erfolgte in Form einer Leichtbaukonstruktion aus Stahl und Holz. Die zu verbauenden Holzelemente gelangten als Trockenbaukomponenten fertig auf die Baustelle und
mussten dort nur noch eingesetzt, mit sämtlichen notwendigen Anschlüssen versehen und verspachtelt werden.
Die Allgemeinflächen, Stiegenhäuser und Fassaden des Eckhauses Berggasse 5 / Wasagasse 17 sowie die zugänglichen Wohnungen wurden ebenfalls umfassend instandgesetzt.
Vienna Ballhaus/Vienna Bold
Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Revitalisierung des innen und außen mit neobarocker Ornamentik reich geschmückten Saals im Innenhof gelegt. Fassade und Holzportale wurden aufwändig
restauriert. Im Innenraum wurden fehlende Stuckaturen nachmodelliert, die historische Lambris wurde wiederhergestellt und rekonstruiert, die Lusterrosetten handvergoldet. Der Veranstaltungssaal
wurde zudem mit moderner Veranstaltungs- und Haustechnik ausgestattet.
Stilvoll restauriert präsentieren sich auch die benachbarten Räumlichkeiten, die sich über zwei Geschoße des Biedermeier-Gebäudes erstrecken und in denen mit Vienna Bold ein „Future Office und
kuratierter Collaboration Pod“ geschaffen wurde. Gemeinsam mit dem Vienna Ballhaus und einem Fotostudio („Vienna Frame“) im Untergeschoß steht kreativen Geistern somit eine Nutzfläche von 731 m2
zur Verfügung.
krypt.bar
Eine besondere Bedeutung kommt den Räumlichkeiten im zweiten Untergeschoß zu. Nachdem mehrere Vormauerungen geöffnet wurden, konnten Schriftzüge wie „Tanzfläche“ und „Just Jazz“ auf den
Ziegelwänden freigelegt werden. Archäologische und bauhistorische Untersuchungen ergaben, dass diese Räumlichkeiten in den 1950er- und 1960er-Jahren eine halb-legale Jazz-Bar beherbergten – somit
in einer Zeit der blühenden Wiener Jazz-Szene rund um Stars wie Joe Zawinul und Fatty George ...
Die Dramaturgie und Erschließung der heutigen Cocktail-Bar beginnt in einem niedrigen und schlicht gehaltenen Eingangsbereich im Souterrain, parallel zur Wasagasse. Neben der Garderobe führt ein
verspiegeltes Vestibül zu einer „schwebenden“ Stiegenkonstruktion, die den eigentlichen Barbereich erschließt. Mehrere Alkoven, Nischen, versteckte Nebenräume und Wiens kleinste Galerie umgeben
das Herzstück des Betriebs in Form einer sieben Meter langen Bar.
Bmstr. Ing. Jürgen Walli vom Generalunternehmer Handler Bau erinnert sich an die mit den Restaurierungs- und Umbauarbeiten verbundenen, speziellen Herausforderungen: „Wir mussten zuerst viel
Material aus der Baustelle rausbringen, um das Kellerniveau abzusenken. Das war nötig, um die massive Bodenplatte realisieren zu können, in die so gut wie alle haustechnischen Einbauten
installiert werden mussten, um die Vorgaben des Denkmalschutzes umzusetzen. Was dort nicht reinkommen konnte, wurde in freispannende Fachwerksträger implementiert.“
Die gesamte statische Struktur der Träger, die Lüftungsrohre und die weiteren Einbauten wurden mit Kompositgold beschichtet und mit Schellack versiegelt. Die Bodenplatte wurde mit italienischem
Nero Marquina Marmor im Fischgrätmuster belegt, die Theke mit dem seltenen Sahara Noir Laurent Gold in gespiegelter Verlegung.
Für die Umsetzung des zweiten Fluchtwegs der Cocktail-Bar, für die barrierefreie Erschließung mittels Aufzug und um Platz für die Technikzentralen sowie Personalräume und einer Vorbereitungsküche
zu schaffen, wurde im Innenhof des Gebäudes ein unterirdischer, zweigeschoßiger, funktionaler Zubau aus Stahlbeton realisiert. Hierzu mussten zunächst die angrenzenden Fundamentbereiche mittels
DSV-Verfahren stabilisiert und unterfangen werden. Im Anschluss daran wurde der Bereich ausgehoben und die Baugrube mittels massiven Pölzungen als Baugrubenverbau abschnittsweise gesichert. „Das
alles“, so Walli, „passierte auf einem lediglich 10 x 10 m kleinen Baufeld und in 10 m Tiefe.“
Fotos:
Büro KLK / David Schreyer;
Vienna Ballhaus;
Handler Bau;
Kerbler Holding GmbH / cetus Baudevelopment GmbH;
Daniel Steinauer, Erich Reismann
Projektpartner Berggasse 5 / Wasagasse 17, 1090 Wien
Bauherr: Kerbler Holding GmbH / cetus Baudevelopment GmbH
Architektur: Büro KLK Team, Architekt DI Heinz Lutter ZT GmbH
Bauausführung: Handler Bau