Post am Rochus, Wien III.

Aufwändige Vermählung von Alt und Neu

 

Dort, wo mit größter Wahrscheinlichkeit anno 1768 Mozartfans die Uraufführung des Meisters Singspiel „Bastien und Bastienne“ erlebten, steht die seit kurzem fertiggestellte neue Zentrale der Österreichischen Post AG. Zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert floss freilich viel Wasser den nahen Donaukanal hinunter und auch die Bauhistorie auf dem Grundstück Rasumofskygasse 29 – benannt nach dem russischen Gesandten in Wien, Andrej Fürst Rasumofsky (1752 – 1836) – ist eine bewegte.
So stand hier einst das sogenannte Mesmerpalais, ein Wohnpalais, das Franz Anton Mesmer im 18. Jahrhundert bewohnte. Es wurde 1920 abgerissen und machte jenem Gebäude Platz, das der Baumeister und Architekt Julius Müller für die ehemalige Telephon-Zentrale 1919 entwarf und nach umfangreicher Auswechslungsplanung bis 1923
als Eisenbetonbau errichtete.

Gebäude mit Seltenheitswert

Die exakte Datierung von Planung und Errichtung dieses Gebäudes ist insofern von großer Bedeutung, als es sich bei dem Objekt um eines der ganz wenigen öffentlichen Gebäuden der Ersten Republik handelt, dessen Planungsbeginn gerade noch in die letzten Monate der Monarchie zurückreicht. „Diesem Umstand“, so DI Oliver Leo Schreiber von der Abteilung für Wien des Bundesdenkmalamts, „wurde durch eine Umplanung der Fassade Rechnung getragen. Ursprünglich war für den Bau eine Fassade in jenem neobarocken Repräsentationsstil entworfen, der für das ärarische Bauen der ausgehenden Monarchie typisch war. Dies empfand man möglicherweise in der jungen Republik nicht mehr als passend, sodass eine Gestaltung in nüchtern-repräsentativen, neoklassizistischen Formen – mit sehr viel weniger Dekor als ursprünglich vorgesehen – vorgenommen wurde ...  Ein wichtiges Element der Fassade sind die vollständig erhaltenen, in drei Varianten vorhandenen, großen Sprossenfenster.“
Die Art-Deco-Fassade samt Giebel und der unmittelbar angrenzende Innenbereich bis zur ersten Zwischenachse wurden vom Bundesdenkmalamt per Bescheid vom 28. Juni 2002 unter Denkmalschutz gestellt und mussten demgemäß erhalten bleiben.

Mustergültige Sanierung

Die in der Mitte horizontal in zwei je dreigeschoßige Zonen geteilte Kalkputz-Fassade sowie die bereits erwähnten Kastenstockfenster wurden unter Einbeziehung des Bundesdenkmalamts einer mustergültigen Sanierung bzw. Erneuerung unterzogen. Dabei stellte vor allem die statische und die brandschutztechnische Ertüchtigung des Bestands eine besondere Herausforderung dar, wie sich Projektleiter DI Harald Hobacher vom Totalunternehmer, der ARGE Post am Rochus, – bestehend aus Östu Stettin und HABAU – erinnert: „Hierzu wurden u. a. massiv bewehrte Stahlbetonscheiben schachbrettartig abgetreppt in Längsachse in den Bestand eingezogen. Über seitlich neu errichtete Stahlbetonwände und Zugbänder in den Decken konnte die Horizontallast auf die Querscheiben statisch verteilt und das Gebäude förmlich zusammengespannt werden.“
Die restlichen Bauten auf dem rund 5.000 m2 großen Grundstück, allen voran das zum Rochusmarkt gewandte Bestandsgebäude, fielen der Abrissbirne zum Opfer.

Attraktiver Neubau

An deren Stelle trat ein vom Architekturbüro Schenker Salvi Weber mit feld72 entworfener Neubau, der mit dem verbliebenen Bestand ein kompaktes und optisch unaufgeregtes Ganzes bildet.
Wie bei zahlreichen anderen Bauvorhaben, bei denen Alt- mit Neubauteilen miteinander verwoben werden müssen, stellte sich auch hier die Frage nach einer effizienten und technisch machbaren An- und Einbindung. Beantwortet wurde diese von den Architekten mit einer mehrgeschoßigen Fuge, die eine Art Atrium bildet. Dieses zentrale Element erschließt das gesamte Ensemble und ist außerdem ein kommunikationsfördernder Begegnungsraum, der von den hier tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Österreichischen Post AG – insgesamt entstanden rund 1.100 Büroarbeitsplätze modernster Prägung – gerne frequentiert wird. Dies ist insofern ein absolut beabsichtigter Effekt, als sich der Bauherr „Lebensräume mit viel Platz für Interaktion und nicht nur Arbeitsräume“ wünschte.
Während im sanierten Bestandsgebäude und in großen Teilen des Neubaus also Büroalltag eingekehrt ist, öffnet sich das neue Gebäude im Erdgeschoß zum kleinen, aber feinen Rochusmarkt hin und beherbergt in dessen direkter Verlängerung eine rund 5.500 m2 große Mall. Diese Mall erstreckt sich auch über das 1. Obergeschoß und das Untergeschoß des Neubaus. Sie wird mittels Rolltreppen erschlossen, über denen große, optisch dominante, ovale Oberlichten via Innenhöfe für ein freundlich-helles Ambiente sorgen.
Durchquert man vom Rochusmarkt bzw. von der U3-Station kommend die Mall, findet man sich im Grete Jost-Park wieder, der in direkter Verlängerung am anderen Ende des neuen Gebäudeensembles liegt.

Bauliche Meisterleistung

Neben den Herausforderungen im Zuge der Ertüchtigung und Anbindung des Bestandsgebäudes an den Neubau kann das Objekt Post am Rochus noch mit einigen weiteren baulichen Meisterleistungen aufwarten.
So werden die Neubauteile durch eine 80 cm tiefe, sandgestrahlte Beton-Fertigteilfassade gegliedert. Die horizontalen Elemente wurden als Voll-Fertigteile vor die Deckenstirn gehängt, die vertikal eingestellten Fertigteile – als Hohlelemente mit Perforation geplant – wurden so implementiert, dass die hinter der Säule liegenden Fensterflügel der Pfosten-Riegel-Fassade zur verdeckten Lüftung herangezogen werden können.
In gebäudetechnischer Hinsicht wurden die Betondecken des Neubaus für die Kühlfunktion des Gebäudes mit Bauteilaktivierung ausgeführt. Außerdem sorgt eine thermische Grundwassernutzung über Förderbrunnen unter der Bodenplatte für Kühlung. Geheizt wird bei Bedarf auch, und zwar mit Fernwärme. Das Gebäude wurde gemäß den Vorgaben der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) errichtet. Der Bauherr, die Planer und alle Bauausführenden dürfen sich diesbezüglich bereits über eine Zertifizierung in Gold freuen.
Das Ergebnis ist also ein gelungener und ökologisch nachhaltiger Mix aus Alt und Neu ... Chapeau!

Fotos:

Schenker Salvi Weber / Lukas Schaller;

ARGE ÖSTU-STETTIN-HABAU / Bengt Stiller;

HMW 24171/1, A. Stauda CC BY-NC-ND 4.0;

Maclemo_CC BY-SA 3.0

Projektpartner Post am Rochus, 1030 Wien

 

Bauherr: Österreichische Post AG

Architektur Um- und Zubau: Schenker Salvi Weber Architekten ZT GmbH; feld72 architekten zt gmbh

Totalunternehmer: ARGE Post am Rochus – ÖSTU STETTIN und HABAU

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