Grabnergasse 4, Wien VI.

Vertikales Grün für besseres Klima in der Stadt

 

Der Klimawandel hat uns fest im Griff, die Sommer werden länger und heißer – auch, wenn das manche, vom amerikanischen Präsidenten angefangen, nicht so sehen wollen. Gerade im Großstadtdschungel sind daher Lösungen gefragt, die abseits energiefressender und nervig schäppernder Klimaanlagen Linderung im Kampf gegen Hitze, Schweiß und damit einhergehender Erschöpfung bieten. Im Fall von Wien werden diese Parameter durch ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum noch deutlich verstärkt.   

Begrünte Fassaden

Welches Potential bieten begrünte Fassaden in dicht bebauten innerstädtischen Gebieten Wiens? Was bedeutet es für das städtische Kleinklima, was für das Befinden der Bewohner? In welchem Ausmaß können vertikale grüne Flächen die Qualität einer Gegend steigern? Welche Struktur der Begrünung braucht eine bereits bestehende Architektur, um ihr ursprüngliches Gesicht – falls gewünscht oder erforderlich – zu wahren?
Fragen über Fragen, denen im Fall der Sanierung des Bürogebäudes Grabnergasse 4 im 6. Wiener Bezirk, Standort der Magistratsabteilung 31, Wiener Wasser, nachgegangen wurde. Dieses befand sich in schlechtem baulichen Zustand und sollte nicht bloß „standardmäßig“ saniert werden, sondern als vorbildhaftes Pilotprojekt dienen.
Die Planer der RATAPLAN – Architektur-ZT GmbH stellten sich in Kooperation mit Spezialisten des Instituts für Ingenieur-Biologie der Universität für Bodenkultur, BOKU, bzw. der mit diesen verbundenen Green4Cities GmbH der Aufgabe, die stark vertikal gegliederte Süd/West-Fassade aus den 1960er-Jahren thermisch zu sanieren und mit einer neuen, „grünen“ Funktion bzw. Struktur auszustatten.
Heute, zwei Sommer nach Fertigstellung, kann gesagt werden: „Es hat funktioniert, der Extremsommer 2018 war so etwas wie die Nagelprobe“!

Strukturen und Perspektiven

Alle Beteiligten – Architekten, Statiker, Landschaftsplane und Bewässerungstechniker ... – gingen mit viel Pioniergeist und Innovationskraft an die Aufgabe heran.
Die vertikale Struktur des Gebäudes wurde aufgenommen und im Hinblick auf die Aufgabenstellung analysiert. Der Rhythmus des Reliefs aus Lisenen, Parapeten und Fensterebenen blieb weitgehend erhalten und wird nun durch die
vorgesetzten Stahlstützen und wellenförmig ausgebildeten Rankgerüste noch verstärkt. Versetzt angeordnete, verzinkte Stahltröge über jeweils zwei Fensterachsen ergeben in Kombination mit der vertikalen Struktur des Bestands ein neues Muster.
Je nach Standort und Blickwinkel verändert sich die Sichtbarkeit der ursprünglichen, im Zuge der Begrünung sanierten Putzfassade. Von vis à vis nimmt man die hinzugefügte Struktur des vertikalen Gartens mehr als Betonung des Rhythmuses der Fassade wahr.
Ändert sich der Blickwinkel, vor allem aus der Ferne, verdichtet sich die vorgesetzte Vegetationsebene zu einem grünen Geflecht. Von der dahinter liegenden Putzfassade ist dann so gut wie nichts mehr zu erkennen.

Vorgelagertes Tragwerk

Die statischen Untersuchungen haben ergeben, dass die bestehende Fassade die Lasten, die mit der Begrünung verbunden sind, nicht tragen kann. Es war jedoch möglich, eine tragende Konstruktion aus rechteckigen Hohlprofilen auf eigenem Fundament vor das Gebäude zu stellen und diese nichttragend an die Fassade anzulehnen. An diese tragenden Stützen wurden Tröge befestigt, die durch ihre Multifunktionalität bestechen. Sie sorgen für eine Aussteifung der Tragkonstruktion, bilden einen großen Wurzelraum und fungieren für die jeweils darunter liegenden Geschoße als Sonnenschutz von oben.
Durch den großen Wurzelraum ergibt sich die Möglichkeit, Kletter- und Rankpflanzen zu verwenden, die auf Rankgerüsten über die Geschoßhöhen hinaus wachsen können. Diese bewachsenen Rankgerüste bilden in der Vegetationszeit den seitlichen Sonnenschutz. Durch die Beimischung von immergrünen Ranken ist die seitliche Beschattung auch im Winter, wenn auch in geringerem Ausmaß, vorhanden. Alle Pflanzen werden durch ein ausgeklügeltes Bewässerungs- und Düngesystem versorgt.
Die Stadt Wien hat die Sanierung des Amtshauses der MA 31 in der Grabnergasse von Beginn an als Leuchtturm-Projekt betrachtet und mit großer Aufmerksamkeit betrieben. Der „vertikale Garten“ zeigt, wie im Bereich des Wiener Stadtkerns eine signifikante Verbesserung der Bausubstanz selbst, des Energieverbrauchs, des Mikroklimas, des Stadtbilds und der sozialen Nachhaltigkeit erzielt werden kann. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Stadt wäre es gut, würde dieses Projekt oft „kopiert“, um auch im Kontext der sukzessiven Erneuerung der Stadt Wien  eine nachhaltige Wirkung entfalten zu können.                                

Fotos:

RATAPLAN – Architektur-ZT GmbH; Anna Stöcher _ www.schauen.at; Iris Reiß

Projektpartner Bürohaus Grabnergasse 4, 1060 Wien

 

Bauherr: Magistratsabteilung 31, Wiener Wasser

Planung: RATAPLAN – Architektur ZT GmbH; Gunda Maurer, Harald Ofner

Vegetationsplanung: BOKU Universität für Bodenkultur, Wien, Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau

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