Werkbundsiedlung Wien

Architekturjuwele der Moderne

 

Der Österreichische Werkbund, nach deutschem Vorbild 1912/13 gegründet, hatte es sich zum Ziel gesetzt, Architekten, Handwerker und bildende Künstler für eine Zusammenarbeit, u.a. in Bezug auf qualitativ hochwertigen, sozial orientierten Wohnbau, zu gewinnen.  Die soziale Komponente gewann vor allem in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg an Bedeutung.
Deutlich später, nämlich zu Beginn der 1930er-Jahre entstand die Wiener Werkbundsiedlung, die nun – nach einer ersten Sanierung unter der Federführung von Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger in den 1980er-Jahren –  eine weitere Generalsanierung erfuhr.
Die Wiener Werkbundsiedlung zählt in punkto Architektur in Österreich zu den Aushängeschildern der sogenannten Moderne. Ursprünglich für ein großes Baufeld entlang der Triester Straße in Wien-Favoriten geplant, entstand die Siedlung mit 70 Einfamilienhäusern schlussendlich im Bezirksteil Lainz in Wien-Hietzing (13. Bezirk). Josef Frank stand als künstlerischer Leiter an der Spitze von 31 Architektinnen aus dem In- und Ausland.
Gegen Ende des 2. Weltkriegs zerstörten Bomben sechs der Werkbundsiedlungshäuser. Diese wurden durch Neubauten, geplant unter anderem von Architekt Roland Rainer, ersetzt.

Sanierung in vier Teilen

In Folge einer internationalen Ausschreibung wurden P.GOOD Architekten – Azita Praschl Goodarzi und Martin Praschl – als Generalplaner mit der Sanierung von 48 der 64 noch existierenden Häuser der Werkbundsiedlung betraut. Insgesamt nahm die Generalsanierung, die in vier Teilabschnitten erfolgte, ein gutes halbes Jahrzehnt in
Anspruch.
Ziel der Sanierung war es, vorgefundene Schäden zu entfernen, die Wohngebäude auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen und gleichzeitig die vielfältigen Qualitäten der Siedlung zu erhalten. Dabei wurde möglichst viel der noch vorhandenen Originalsubstanz bewahrt und langfristig gesichert. Teilweise musste die unterschiedlichsten Oberflächen und Materialien von späteren Überputzungen, Übermalungen, Verbauungen und dergleichen Änderungen mehr befreit werden, um den Ursprungszustand möglichst originalgetreu wiederherstellen zu können. Die Restaurierung von erhaltenen Sichtoberflächen wurde daher mit den gleichen oder möglichst ähnlichen Materialien und Handwerkstechniken durchgeführt wie bei der Errichtung der Siedlungshäuser zu Beginn der 1930er-Jahre.
Die 48 Häuser, die es zu sanieren galt, stehen im Besitz der WISEG Wiener Substanz-erhaltungsg.m.b.H. & Co KG und waren zum Zeitpunkt der Durchführung der Arbeiten vermietet und größtenteils bewohnt. In der ersten Umsetzungsphase wurden drei Häuser von Gerrit Rietveld in der Woinovichgasse 16, 18 und 20 sowie eines von Josef Hoffmann in der Veitingergasse 85 restauriert. Drei dieser Häuser standen leer und konnten somit auch innen saniert werden. Der Zustand dieser und aller anderen Häuser war unterschiedlich, die meisten davon waren jedoch dringend sanierungsbedürftig und sehr schadhaft.
Zeitgleich mit den Bauarbeiten an den ersten vier Häusern wurden bei den 44 verbliebenen Häusern Bestandsaufnahmen durchgeführt und das Gespräch mit den Mietern gesucht. Deren Vor- und Einstellungen variierten genauso wie der Erhaltungszustand der Häuser. Von beinahe völliger Verständnislosigkeit bis hin zur aktiven Unterstützung der Ausführenden reichte die Palette, die die P.GOOD Architekten und ihre Fachkonsulenten – für Metall-, Holz- und Putzrestaurierung sowie Bauphysik, Elektro- und Haustechnik – vorfanden. Martin Praschl dazu: „Die besondere Herausforderung bei der Sanierung bewohnter Objekte besteht darin, die Interessen von Denkmalschutz und Bewohnern unter einen Hut zu bringen. Für jedes Haus wurde eine individuelle Lösung mit einer Kombination von abgestimmten Maßnahmen erstellt.“

Bestandsaufnahme

In seiner Broschüre „wiederhergestellt“ (Ausgabe 32) betont das Bundesdenkmalamt, dass „neben den Aspekten der Haustechnik, der Installation, der Energieeffizienz und der Bauphysik auch umfassende restauratorische Untersuchungen der Architekturoberflächen, der Metall- und Ausstattungsdetails sowie der historischen Bodenbeläge duchgeführt wurden“.
Überraschungen gab es bei den Bestandsaufnahmen zur Genüge. So wurde laut DI Oliver Schreiber vom Landeskonservatorat für Wien des Bundesdenkmalamts „wesentlich mehr bauzeitliche Substanz als ursprünglich angenommen“ vorgefunden. „In manchen Häusern“, so Schreiber, „konnten wir auch gut 80 Jahre nach ihrer Errichtung einen vollständigen Satz der Tür- und Fensterbeschläge vorfinden. Vielfach waren auch noch Teile der ursprünglichen Linoleumböden und zahlreiche weitere wertvolle Ausstattungsdetails vorhanden.“

Sanierungsumfang

Für die von den Sanierungsmaßnahmen betroffenen Mieter der Einfamilienhäuser in der Werkbundsiedlung ergibt sich nach Abschluss der Arbeiten eine deutliche Steigerung der Wohn- und Lebensqualität. Die getätigten Arbeiten umfassten nämlich ein breites Spektrum: Sanierung (und teilweise Freilegung)der originalen Putzoberflächen, der Fenster und Türen, der Böden, Wände und Decken, den Umbau von Badezimmern, die Neuherstellung der Sanitär- und Elektroinstallationen, die Instandsetzung von Geländern und Handläufen sowie die Instandsetzung der Außenanlagen inklusive Zäunen und Gartentüren.
In den von Gerrit Rietveld geplanten Häusern (oben und rechts oben) konnten die von dem niederländischen Architekten ursprünglich angedachten, in Skizzen und Briefen dokumentierten Grundrissvarianten für das Erdgeschoß, die 1932 nicht ausgeführt wurden, nachträglich realisiert werden.

Thermische Sanierung

Wie kann im Zuge der Umsetzung eines sensiblen Bauvorhabens wie der Generalsanierung der Werkbundsiedlung ein effizientes Energiekonzept zeitgemäßen Zuschnitts realisiert werden? Das Planerteam hat dafür eine Reihe von kombinierten Maßnahmen entwickelt, die auch ohne Wärmedämmung der Fassaden eine Reduktion der Heizkosten um zirka 50 % ermöglicht und bei richtigem Nutzerverhalten gleichzeitig die Kondensatfreiheit der Wohnungen gewährleistet. Diese Maßnahmen umfassten vor allem die Wärmedämmung von Dächern und Terrassen mit Gefälledämmung, Wärmedämmung der erdberührten Wände, Sanierung und thermische Verbesserung der bestehenden Fenster mittels K-Glas und Silikondichtungen, Einbau von kontrollierten Wohnraum-Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sowie von hocheffizienten Gas-Brennwertgeräten und Trockenlegungsmaßnahmen, z. B. zur Eindämmung von Schimmelbildung in den Kellern. Praschl: „Leider konnten nicht alle Mieter dafür gewonnen werden, die kompletten Maßnahmen in ihren Häusern durchführen zu lassen.“
Planung und Umsetzung gehen bei all diesen Maßnahmen Hand in Hand. Im Fall der Fenster- und Türsanierungen konnte die Wiener Tischlerei Jirka ihre Kompetenz unter Beweis stellen. Die Aufgabe bestand darin, rund 200 historische Verbund-Kastenfenster je nach Befundung zu sanieren, neu einzuglasen bzw. komplett zu erneuern. Das Sanierungs-Prozedere vom Entlacken der Fensterstöcke bis zur Einbringung einer finalen Dichtung umfasste eine Zeitspanne von rund acht Wochen.
In den leerstehenden Häusern wurde von der Tischlerei Jirka auch die Innentüren saniert. Durchaus innovative Besonderheiten stellten bei zwei Häusern Drehflügeltüren dar, die dem historischen Original nachempfunden, jedoch den gegenwärtigen Erfordernissen gemäß angepasst wurden.
Je nach Material bedurften die unterschiedlichen Oberflächen vor deren Bearbeitung einer Befundung durch Spezialiisten – seien es Architekturoberflächen (Putze), Metallteile, Holzteile oder sonstige, wie z. B. Böden mit Parkett- oder Linoleumbelag. Ausgeführt wurden die solcherart ermittelten Arbeiten ebenfalls von Spezialisten.
So erhielt das Bauunternehmen Sedlak den Auftrag, die Baumeisterarbeiten durchzuführen. Dazu zählten die Innensanierung (Kamine, Putze ...) der unbewohnten Häuser sowie sämtliche Arbeiten an der Außenhülle, im Bereich der Gärten, der Stützmauern sowie der Kanalisation. „Grundsätzlich“, so Sedlak-Bauleiter Ing. Richard Grün, „wurden alle Häuser bis zum Fundament aufgegraben. Wo nötig, erfolgte eine Trockenlegung, indem die Mauern durchgeschnitten und isoliert wurden.
Außenanlagen, beispielsweise Wege und Zufahrten, wurden mit identen Spaltgneis-Platten aus einem Steinbruch bei Wr. Neustadt saniert, ergänzt bzw. erneuert.“
Permanent rund zehn Mitarbeiter beschäftigte das Bauunternehmen Sedlak auf der Baustelle der Werkbundsiedlung. „Geschultes Stammpersonal“, so Bauleiter Ing. Grün, der die „reibungslose Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt“ in Erinnerung behalten hat. „Unter anderem mussten wir uns bei den Putzarbeiten und der damit verbundenen Farbgebung nach der NCS-Skala penibel an die Vorgaben halten.“
Neugierig geworden? Das Architekturzentrum Wien bietet Gruppenführungen durch die Wiener Werkbundsiedlung an.

Links dazu:
www.werkbundsiedlung-wien.at
www.azw.at/tours

Fotos: P.GOOD Architekten

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